Dieser Lehrgangsbericht ist ein Selbstgespräch. Ich denke an das, was Duncan in den Meditationen sagte, was es aus mir und mit mir machte die nachfolgenden Stunden, Tage.
Sonntag: Matten aufbauen. Nochmal überlegen: wo kamen die blauen Matten hin, die kleinen und die großen? Liegen alle richtig? Steht Kamiza gerade und ist die Küche sauber? Es fehlen noch Geschirrhandtücher. Streichhölzer für die Kerze nicht vergessen. Vor der Vorfreude kommt die Organisation. Die Ruhe vor dem Sturm. Dann das wichtigste: Wird sich die Halle mit KI füllen können? Es ist fertig, nun können alle kommen.
Montag: Am Anfang stand die Wahrheit. Und ein Satz, der es auf den Punkt brachte: Wir sollen uns dem Anfängergeist hingeben, jeden Moment. Jeden Angriff als etwas Neues sehen und ihn neu erleben. Hingabe. Das war auch so ein Wort, das fiel. Mehr als einmal. Es braucht Hingabe, um in die Atmosphäre des Sommerlehrgangs einzutauchen und ihm das hinzuzufügen, was wir sowas wie „Familie“ nennen. Denn das waren wir. So schön, vertraute Gesichter zu sehen. So schön, neue willkommen zu heißen. „Gut, dass du da bist“ und „ich habe mich auf dich gefreut“ – mehr als nur Worte, eine Umarmung hier, ein Lachen da. Eine ganze Woche lassen wir uns aufeinander ein. Die vier Schwertgruppen haben sich schnell gefunden. Anfänger, Shoden, Chuden, Okuden.
Dienstag: Am zweiten Tag kamen die Mauern. Die, die wir um uns errichten. Die, die nichts rein und nichts raus lassen. Was innerhalb der Mauern bleibt, bleibt an uns kleben. Sind Anhaftungen. Irritieren beim Angriff, lassen die Techniken hart und konturlos werden. Diese Anhaftungen sind wie kleine Ukes, die neben uns auf der Matte stehen, auf unserer Schulter sitzen, sich in die Technik einmischen. Insbesondere, wenn die Technik aus dem Weglassen besteht. Aus NICHTS bestehen soll. Im absolut unpassenden Augenblick also. Ist doch bloß ein Ikkyo, wieso klappt das nicht mit jedem? Alltagsgedanken sind solche Ukes, das Abschweifen, all die eigenen Probleme und Sorgen, die man mit auf die Matte nimmt. Die machen die Matte ganz schön voll. Doch im Laufe des Trainings waren sie verschwunden, die Tatami wurde merklich leerer. Aufnehmen, fallen lassen. Jetzt klappt auch der Kokyunage.
Mittwoch: Am Mittwoch hieß die Botschaft „Klarheit“. Klarheit im Geist braucht es, um Klarheit in die Technik zu bringen. Egal, ob beim Schwert oder beim Aikido. Die nötige Klarheit bringt die Schärfe in die weichen Techniken. Klares Eintreten, klares Fallenlassen, klares Aufnehmen. Konfrontation ist nicht mehr nötig. Meditation hilft, Klarheit für uns selber zu finden. Im Laufe des dritten Tages wurde es bunter. Das lag an den vielen Tapes und Pflastern um Füße und Hände. Finger in Blau, Zehen in Pink, Fersen in Gelb. Johannes und ich rätselten schon um diese neue Farbenlehre. Ob sich dahinter eine geheime Botschaft verbirgt? Am Abend schwanden die Kräfte bei vielen, die eine oder andere Technik entwickelte sich eher untypisch, trotzdem gab es auf der Matte kaum Schwund. Vielleicht haben die 15 Grad Außentemperaturen und der ergiebige Dauerregen den einen oder die andere in die Halle getrieben. Hier sorgte Duncan für Schweiß. „Immer bewegen“ sagte er nicht nur beim Kaitenage. Immer bewegen war auch das Motto bei Hollis abendlicher Fallschule. Weiches, geräuschloses Ukemi. Nicht auf die Tatami donnern wie ein Klotz, sondern rollen wie ein Ball. Viele haben mitgemacht und sich gefreut über das Angebot, das erhabenere Fallen, das würdevolle und stimmige Rollen.
Donnerstag: Eine Zerrung zwingt mich zur Ruhe. Ausgerechnet. Nur zuschauen, zuhören, mehr geht nicht. Zum Glück war es der einzige Tag, an dem nichts mehr geht, zum Glück gab es sonst keine Verletzungen, bei keinem. Sitzen dagegen funktioniert gut. Immerhin. Heute bleiben die meisten zwischen Schwert und Aikido zur Meditation. Duncan betont, was für ein Geschenk die Kraft ist, die wir durch die universelle Energie aufnehmen und mitnehmen können. Wir sollen uns mit Freude hinsetzen und meditieren. Dann begleitet uns diese universelle Energie ins Training, ins Leben. So ist es auch mit der Klarheit, die uns lehrt, Akzente zu setzen für uns selbst und für andere. Diese Freude war zu spüren, auch in den strengen Kumidachi-Formen.
Am Nachmittag sprach Duncan es aus: die Halle war spürbar gefüllt mit KI. Das kommt vom Üben. Natürlich. Aber nicht irgendein Üben mit vielen Wiederholungen, sondern ein Üben mit Hingabe, ein intensives Suchen nach Inhalten. Onegai shimasu. Soll ich noch etwas zu den Aikido-Techniken sagen? Es ist immer das gleiche: Fallen lassen, Eintreten, keine Kraft, nur KI, am Ende ist die Technik dann auch egal. Und doch: Es kommt aufs Detail an. Hier ist der Abstand noch nicht richtig, hier kommt der Arm etwas zu spät. Der richtige Zeitpunkt, das Rechtzeitige, die Klarheit, der Akzent. Wo sind Wege? Wo geht was? Das Eigentliche lässt sich nicht in Worte fassen. Der Kotegaeshi wird zur Offenbarung. Duncan ging viel rum, von einem Paar zu anderen, korrigierte und gab Impulse. Das bedeutete für alle viel Zeit zum Üben. „Duncan, schau mal bitte, der Tenchi Nage funktioniert nicht“. „Du musst dich bewegen!“. „Ach so“.
Freitag: Ein kurzer Tag. Das heißt, nur eine Stunde Schwert, eine halbe Stunden Meditation und zwei Stunden Aikido und Daitoryu. Johannes bekam für seine Verdienste im Shinkiryu eine hohe Auszeichnung in Form einer Schriftrolle, die die Japan-Reisegruppe direkt vom Zentral-Dojo in Hokkaido mitgebracht hatte. Herzlichen Glückwunsch, Johannes. Nach dem Training eine so wertvolle Shiatsu-Massage von Katrin. Die Zerrung muss weg. Nun weiß ich, dass ich Meridiane habe. Die müssen frei werden. Katrin hat heilende Hände (so sehr Danke). Dann schnell geduscht nach Hause, Essen machen für das wundervolle und immer vielfältigere Budget für unsere Lehrgangsfeier am Abend – einer der Lehrgangshöhepunkte in jedem Jahr. Ein Dankeschön für all die kulinarischen, musikalischen, theatralischen und getanzten Köstlichkeiten.
Samstag: Der letzte Tag. Auch heute nur vormittags Training. Nun nochmal alles geben. Noch mal schnell mit möglichst vielen üben. Mit all dem, was uns die Woche über begleitet hat. Die Klarheit, die Tiefe, die Struktur. Das waren zehn Stunden Shinki Toho, das waren fünf Stunden Meditation, das waren zwanzig Stunden Aikido und Daitoryu. Der Sommerlehrgang ist vorbei. Was habe ich, was haben wir dem universellen Ganzen hinzugefügt? War es Freude, Hingabe, ein Lächeln? Das wäre doch schön. Und nun? Kamiza ist verstaut, die Matten sind abgebaut, die Halle ist geräumt. So leer. Oder schwebt noch etwas KI in der Luft? Da klingt noch was nach.